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Wohnflächen­berechnung nach DIN 277

Welcher Titel ist hier der richtige?
Wohnfläche nach DIN 277, oder eher: Die falsche Wohnfläche nach DIN 277?!

Wir schauen uns in diesem Beitrag mal die Fakten an:

Geschrieben von unserem Baugutachter und Sachverständigen für Wohnflächen, Carsten Nessler

Über die DIN 277 werden Flächen und Raumvolumen (Kubator) ermittelt. Im genauen Wortlaut liest sich der Titel „Grundflächen und Rauminhalte im Hochbau“.

Dabei wird kein Wort über die Wohnfläche verloren!

Das ist auch nicht der Hauptsinn der DIN 277. Dieser liegt in der Berechnung von Baukosten, für zum Beispiel Architekten und Bauträger. Die Flächen, die geplant und gebaut werden, kosten Geld und sollen abgerechnet und vom Auftraggeber bezahlt werden. Das macht Sinn. Wie kommt hier die Wohnfläche zum Einsatz? Erstmal gar nicht.

Wie gesagt, die Grundidee der DIN 277 ist die Abrechnung von Baukosten (Herstellungskosten) und laufender Kosten (Betriebskosten), teilweise über weitere Normen – zum Beispiel die DIN 276 (Kosten im Bauwesen) und DIN 18960 (Nutzungskosten im Hochbau).

Hier macht es keinen Sinn, Flächen oder Rauminhalte nur teilweise zu berechnen, weil die Kosten ja für die Planung und Herstellung der Räume oder Bauteile angefallen sind und entsprechend abzurechnen sind. Ich kann keinen halben Raum berechnen, wenn ich doch einen kompletten Raum hergestellt habe. Ebensowenig macht es Sinn einen Balkon nur anteilig zu berechnen, wenn dieser doch vollständig fertiggestellt und nutzbar ist.

Auch ein Raum mit Dachschräge wird nach DIN 277 komplett abgerechnet, ohne Berücksichtigung von abgeschrägten Decken, die nicht gut begehbar oder nutzbar sind – im Zweifel ist die Planung und Errichtung des Daches sogar aufwändiger und teurer gewesen, als eine schnöde horizontal verlaufende betonierte Geschossdecke. Diese Flächen werden also zu 100 % den Flächen nach der DIN 277 zugeschlagen.

Aber macht es ebenso Sinn diese gesamten Flächen zur Wohnfläche zu zählen?!

Ein klares nein! Ein Raum unter einer niedrigen Dachschräge ist nicht so gut nutzbar, wie ein hoher Raum, in dem ich aufrecht stehen kann. Ein fensterloses Kellerloch (Entschuldigung: ich meine natürlich den Hobbyraum im „Souterrain“) hat nicht die Aufenthaltsraumqualität wie ein Wohnzimmer. Es ist klar worauf ich hinaus will, oder?!


Ein beheizter Raum ist behaglicher als ein unbeheizbarer Raum, oder?! In einem Raum in den es reinregnet fühle ich mich nicht so wohl und sicher, wie in einem Raum, der regendicht ist, oder? Somit ist wohl jedem klar, dass eine offene bewitterte Terrasse oder ein nicht überdachter Balkon, nicht so viel „Wohnwert“ hat, wie ein gemütlich geschütztes Wohnzimmer. Ein Raum, in dem ich aufrecht stehen kann, ist besser für mich nutzbar, als ein Raum den ich gebückt betreten, oder auf allen Vieren hineinkrabbeln muss, oder?!
Hierdurch wird die Intention des Gesetzgebers klar, mit der man versucht unterschiedlich nutzbare, beheizbare und geschützte Räume auch ebenso unterschiedlich zur Wohnfläche anzurechnen.

Also im Klartext:

  • Ein Raum, der 2,40 m hoch ist, hat mehr Nutzwert für den Bewohner, als ein Raum der nur 1,80 m hoch ist
  • Ein beheiztes Kinderzimmer ist, bei kalter Witterung, wohnlicher als die zugige und offene Terrasse, oder der offen beregnete Balkon
  • Es ist angenehmer sich im behaglich geheizten Wohnzimmer aufzuhalten, als im kalten und nicht beheizbaren Wintergarten
  • Der Aufenthaltsraum im Erdgeschoss, oder das Arbeitszimmer im Obergeschoss sind besser belichtet und belüftet als der Lagerraum im Keller

Warum sollten also alle Flächen gleich angesetzt und mit zur Wohnfläche zählen?! Das macht keinen Sinn, richtig?! Richtig!

Es macht durchaus Sinn alle Flächen gleichwertig für die Berechnung der Baukosten anzusetzen, aber nicht um die Wohnfläche zu ermitteln.


Die DIN 277 sagt zwar selbst, dass die über die Norm ermittelten Flächen zur Festlegung von Wohnflächen oder Mietflächen verwendet werden kann, schließt aber gleichzeitig im Nachsatz aus, dass sie „eine Bewertung der Flächen und Rauminhalte im Sinne einer entsprechenden Vorschrift nicht vornimmt“ und auch nicht vornehmen kann. „Wasch‘ mich, aber mach‘ mich nicht nass!“

In der DIN 277 wird die Grundfläche innerhalb von Immobilien (die Netto-Raumfläche) in drei verschiedene zu ermittelnde Flächen unterteilt:
– Die Nutzungsfläche (NUF)
– Die Technikfläche (TF)
– Die Verkehrsfläche (VF)

Die Nutzungsfläche wird ihrerseits weiter untergliedert in die Nutzungsflächen eins bis sieben (NUF 1 – NUF 7).

In der NUF 1 finden sich dann Wohnräume, Schlafräume, Küchen in Wohnungen und andere Aufenthaltsräume (also auch Kinderzimmer, Arbeitszimmer und dergleichen).

Die Aufteilung der Netto-Raumfläche nach DIN 277, in Nutzungsfläche (NUF), Technikfläche (TF) und Verkehrsfläche (VF). Die Nutzungsfläche wird weiter unterteilt in "Wohnen und Aufenthalt (NUF 1)", NUF 2, bis NUF 7

„Wohnräume“ in der DIN 277 werden in der Rubrik Wohnen und Aufenthalt (NUF 1) übrigens mit „Hafträumen“ in einem Gefängnis oder einer Polizeiwache gleichgesetzt… nett, oder?!

„Sanitärräume“ (also Bäder und Duschräume) werden mit „Abstellräumen“ sowie „Müllsammelräumen“ gleichgesetzt und werden in der Nutzungsfläche sieben (NUF 7) unter „Sonstige Nutzungen“ aufgeführt… nicht ganz so passend, oder?!

Die Nutzungsfläche der DIN 277 darf nicht mit der Wohnfläche der Wohnflächen­verordnung gleichgesetzt werden!

Die Wohnfläche hat in der Rechtsprechung, in der Wohnflächen­verordnung und im allgemeinen Empfinden des Marktteilnehmers eine unterschiedliche Wertigkeit der Nutzbarkeit – wie oben schon beschrieben. Von daher können nicht alle Flächen zu 100 % Wohnfläche sein.

Das ist beispielsweise in der Wohnflächen­verordnung klar geregelt: Diese sieht vor, dass die Grundflächen zu ermitteln sind (also auszumessen) und hieraus dann die Wohnflächen, anteilig bis voll, angerechnet werden (also berechnet werden).


Wohn­flächen­verordnungDIN 277
Wohnzimmer100 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche
Schlafzimmer100 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche
Kinderzimmer100 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche
Bäder100 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche
Küchen100 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche
Räume mit Dachschrägen0 – 100 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche
Flächen unter Treppen0 – 100 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche
Flächen auf Treppen0 % Wohnfläche100 % Verkehrsfläche
Wohnungsflure100 % Wohnfläche100 % Verkehrsfläche
Kellerräume0 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche
Balkone25 – 50 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche
Terrassen25 – 50 % Wohnfläche0 % Nutzungsfläche
Dachterrassen25 – 50 % Wohnfläche100 % Nutzungsfläche

Die Wohnflächenverordnung (WoFlV) sieht eine anteilige bis volle Anrechnung zur Wohnfläche vor (je nach Lage und Nutzbarkeit), wohingegen über die DIN 277 diese Flächen voll zur Nutzungsfläche zugerechnet werden.

Schauen wir uns das mal an einem Beispiel an!

Beispiel I: Einfamilienhaus nebst Einzelgarage, mit Kellergeschoss, Erdgeschoss, Terrasse, Obergeschoss, Balkon und nicht ausbaubarem Dachgeschoss (Spitzboden, zugänglich, zu niedrig zum Ausbau)

Einfamilienhaus und Garage, mit Kellergeschoss, Erdgeschoss (nebst Terrasse), Obergeschoss (nebst Balkon) und Spitzboden. Einmal nach Wohnflächenverordnung berechnet und einmal nach DIN 277 ermittelt.

*) Balkone, Loggien und Terrassen werden in der Regel zu 25 % zur Wohnfläche angerechnet

Muss ich das wirklich nochmal in Worte, Zahlen, oder prozentuale Abweichung fassen?! Okay: 110 m² Abweichung zwischen den beiden Flächenberechnungen, für dieses normale Einfamilienhaus! Mehr als die doppelte Fläche an Unterschied! Das entspricht einer Abweichung von 106 % zwischen der Wohnflächenberechnung nach Wohnflächenverordnung (WoFlV) und der Nutzflächenberechnung nach DIN 277.


Schönes Beispiel! Aber trifft das auch für Wohnungen zu ?!

Schauen wir doch mal. Beispiel II: Penthousewohnung (Staffelgeschoss), 4 Zimmer, 1 Ankleide, 2 Bäder, große zu drei Seiten umlaufende Dachterrasse

Penthousewohnung, mit Dachterrasse - Flächen jeweils nach Wohnflächenverordnung und nach DIN 277 ermittelt.

*) Balkone, Loggien und Terrassen werden in der Regel zu 25 % zur Wohnfläche angerechnet

Auch hier nochmal die Abweichung in der Übersicht: 69 m² Abweichung zwischen den beiden Flächenberechnungen, für die beispielhafte Penthousewohnung. Das entspricht einer Abweichung von rund 40 % zwischen der Berechnung der Wohnfläche nach Wohnflächenverordnung (WoFlV) und der Berechnung der Nutzflächen nach DIN 277, oder anders ausgedrückt: „Eine Abweichung in der Größe einer kleinen 3‑Zimmerwohnung mit knapp 70 m²“.

Ja, aber – ja, aber – ja, aber! Was ist denn mit einer kleineren Wohnung, die keinen Balkon und keine Terrasse hat? Dann betrifft hier die Abweichung einzig den Wohnungsflur. Die Nutzungsfläche nach DIN 277 wäre hier um die Grundfläche des Flures geringer als die Wohnflächenberechnung nach der Wohnflächenverordnung.

Was wäre denn mit einer Wohnung mit einem kleinen Balkon? Vergleichen Sie jetzt schnell mal die anrechenbare Fläche des Balkons, mit der Fläche des Flures. Je nach Größe des Balkons hebt dieser eventuell den nicht zur Nutzungsfläche angesetzten Flur auf… vielleicht bleiben aber dennoch ein paar Quadratmeter Abweichung!


Vielleicht weil die Flächenberechnung nach DIN 277 einfach vorliegt?! Oft sind diese Flächenmaße in den Unterlagen zum Bauantrag mit eingereicht worden und sind relativ schnell verfügbar.

Vielleicht aber aus konservativen Gründen der Absicherung des Beleihungswertes aus rechnerischen Gründen. Da die über die DIN 277 ermittelte Fläche eventuell höher ausfällt, liegt dem Beleihungswert eine höherer „Wohnfläche“ gegenüber. Das führt bei einer Gegenrechnung „Kaufpreis durch Quadratmeter“ zu einem günstigeren Quadratmeterpreis der Immobilie.

Möglicherweise können die Bewertungssysteme der Banken und Sparkassen mit zwei unterschiedlichen Flächenangaben rechnen: Einmal nach DIN 277 und einmal nach Wohnflächenverordnung.

Oder aber – sie wissen es nicht besser. Dann würde ich dringend zu einem Kurs bei der Wohnflächen-Akademie anraten!


Regelungen für die Berechnung von Wohnflächen sind notwendig, um eine einheitliche und faire Grundlage für rechtliche und finanzielle Angelegenheiten zu schaffen, zum Beispiel als Grundlage zur Festlegung von Mietpreisen, Kaufpreisen und Nebenkosten. Sie dienen dem Schutz der Mieter und Käufer vor überhöhten Kosten und stellen sicher, dass bei Kauf- und Mietverträgen sowie bei der Ermittlung von Grundsteuer* oder der Versicherungssumme korrekte Angaben vorliegen.
*) Nicht in allen Bundesländern zutreffend

Aus den genannten Gründen ist dies keinesfalls die DIN 277! In der Rechtsprechung hat sich die Berechnung der Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung durchgesetzt – nicht nur für den sozialen Wohnungsbau, sondern auch für den freien Markt von vermieteten und zu verkaufenden Immobilien (Neubau + Altbau / Bestandsbau) [siehe hierzu auch https://wohnflaechen-akademie.de/linksammlung-und-bgh-urteile/]


Übrigens I: Wenn Sie irgendwo lesen, dass Außenterrassen (nicht Dachterrassen) nach DIN 277 auch zu 100 % der Nutzungsfläche zugeschlagen werden, dann liegt das daran, dass offensichtlich jemand von jemand anderem abschreibt! Und zwar falsch abschreibt. Die DIN 277 beschreibt hier nämlich nur die Sonderfälle Loggien, Balkone und Dachterrassen, die „konstruktiv fest mit dem Bauwerk verbunden“ sind. Eine vor dem Gebäude liegende Gartenterrasse ist regelmäßig nicht mit dem Gebäude verbunden, sondern ruht auf dem Erdboden vor dem Gebäude und zählt deshalb nicht zur Nutzungsfläche.

Übrigens II: Sobald Sie in irgendwelchen Artikeln „Nutzfläche“ im Zusammenhang mit der DIN 277 lesen, dann handelt es sich um einen alten Artikel, der sich auf die alte Version der Norm bezieht. Schon seit der Überarbeitung der DIN 277 im Jahre 2016 heisst diese Fläche „Nutzungsfläche“ und nicht mehr „Nutzfläche“.


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